24.10.2019 19-21 Uhr Projektraum in der M29
Wie wird ein Mensch zum Nazi? Wie kann eine Ideologie faszinierend sein, die 55 Millionen Menschen das Leben kostete? Warum erliegen viele dem Denken der Nationalpopulisten und der Neuen Rechten, obwohl sie große Ähnlichkeiten zu historischen Faschismen aufweisen?
Der Szene-Aussteiger Christian Ernst Weißgerber liefert in seinem Buch „Mein Vaterland! Warum ich ein Neonazi war“ viele Erklärungen; schonungslos, klar und differenziert.
Er stilisiert sich nicht als Opfer widriger Lebensumstände und wurde auch nicht von raffinierten Funktionären verführt: „Ich hatte unzählige andere Möglichkeiten, aber ich wollte Nazi werden.“ In seinem Buch verdeutlicht Weißgerber, wie Alltagsrassismus und bestimmte Männlichkeitsvorstellungen in seiner Jugend im ostdeutschen Arbeiter*innen-Milieu seinen Weg in die Nazi-Szene ebneten. Rechtes Gedankengut war schon damals kein Randphänomen. Vielmehr schloss es nahezu nahtlos an Vorstellungen der sogenannten Mitte der Gesellschaft an. So ist es vielleicht weniger verwunderlich, dass er überall Gesinnungsgenossen fand: zuerst in der Schule, dann bei der Bundeswehr und später an der Uni. Beklemmend beschreibt Weißgerber autobiographische Episoden aus seiner Jugendzeit und verbindet sie mit politisch-psychologischen Analysen rechter Ideologien. Der heute 30-Jährige klärt anhand seiner Erfahrungen in der organisierten Neonazi-Szene über ideologische Überschneidungen mit gegenwärtigen nationalpopulistischen Strömungen auf.
„Radikalisierung ergreift die Körper wie die Köpfe“, so Weißgerber. Ein Ausstieg bedeutet für den Kulturwissenschaftler daher, anders denken und fühlen zu lernen. Jede*r muss sich allein für diesen Weg entscheiden, aber niemand kann ihn alleine gehen. „Ein Ausstieg ist nichts, das ohne fremde Hilfe gelingen kann.“
Zur Person: Christian E.Weißgerber war in der militanten Neonazi-Szene in Thüringen aktiv. Er zog sich 2010 aus der rechten Szene zurück. Seit 2012 klärt er in Schulen, Universitäten und Abendveranstaltungen über die extreme Rechte und ihre moderateren Ausläufer auf. Weißgerber studierte in Jena, Paris und Berlin und arbeitet an seiner Promotion. Er lebt in Berlin und ist als Übersetzer und Bildungsreferent tätig.
Zum Abend: Christian liest aus seinem Buch, zeigt Bilder und trägt vor, anschließend gibt es eine offene Bar und Möglichkeiten für Fragen und Gespräche.
Rechtsextreme, rassistische, antisemitische, sowie sonstige menschenverachtende Äußerungen, Handlungen und Symbole werden nicht geduldet und die Veranstalter*innen behalten es sich vor, im Zweifelsfall von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen den Zutritt zur Veranstaltung zu verwehren oder von dieser auszuschließen.